Dienstag, 12. Oktober 2010

Enten und Gardinen

Meine Orientierungswoche startet bereits Samstagabend. Noch keine vierundzwanzig Stunden bin ich hier, mein Zimmer ist bereits bezogen, meine Eltern befinden sich auf dem Heimweg; ich sitze in meinem neuen Zuhause und blicke ein wenig überrascht um mich. Das ging schnell.

Doch viel Zeit zum Erholen bleibt nicht; denn in nicht weniger als einer halben Stunde breche ich mit meinen neuen Mitbewohnern auf, um eine exklusive Stadtführung zu erhalten. Zunächst schlendern wir über den Marktplatz, treffen Freunde, kehren schließlich in einer der zahlreichen Bars ein und erzählen. Schon bald fühlt es sich sehr vertraut an, zu sechst gehen wir hinauf zum Schloss und ich bedauere für einen Moment, dass es keinen Aufzug von der Oberstadt in die Ober-Oberstadt gibt. Aber daran muss man sich gewöhnen, meinen auch die anderen. So ist das in Marburg. 

Als wir schließlich ankommen, liegt die Stadt friedlich vor uns, es ist dunkel, aber unser Haus ist auch von hier oben leicht zu finden. Nach einem kurzen Aufenthalt und lustigen Geschichten aus dem Studentenleben zieht es uns ins Delirium, wo ich gleich die Bekanntschaft mit der Hausspezialität, dem Rostigen Nagel, machen kann. Zwar halte ich mich noch zurück, aber als stiller Beobachter verfolge ich, wie zwei meiner Mitbewohner den angeblichen Teufelstrunk hinunterstürzen. 

Der Sonntagmorgen ist verschlafen.

Vivane und Marge wenige Minuten vor Anpfiff
Ich teste die Dusche und stelle zufrieden fest, dass es heißes Wasser gibt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich; nach einem Jahr in Nicaragua sind sowohl warmes Duschen als auch kalte Winter noch immer etwas, das ich beinahe vergessen habe. Um kurz nach zehn trudelt Vivane ein, eine Freundin meiner
Mitbewohner. Da heute das Weidenhäuser Entenrennen ansteht, machen wir uns gemeinsam ans Entenpimpen, wie mein Mitbewohner es nennt; allerdings haben wir die Zeit unterschätzt und die zwei Stunden, die uns noch vom Entenstart trennen, vergehen in all der Kreativität recht schnell. Christian, als Physiker und Mathematiker, organisiert und durchdenkt die genaue Form und das Material, während Vivane als Chemikerin vergeblich von einem Methanantrieb träumt. Provisorisch suchen wir alle möglichen Reste zusammen, und basteln an unserer Ente; eher durch Zufall als durch Planung entsteht Marge Simpson. 
Noch auf dem Weg zum Weidenhäuser Entenrennen sind wir der festen Überzeugung, dass unsere Marge nicht nur die schönste Ente von allen sei, sondern auch die schnellste. Als wir jedoch die Massen an aufgebauten Enten begutachten, wird schnell klar, dass andere Teilnehmer etwas früher mit dem Basteln angefangen haben. 

Mit der Startnummer 232 geht Marge ins Rennen und begeistert verfolgen wir, wie ein Rettungsboot der DLRG die Enten ins Wasser lässt. Der Moderator des Entenrennens schätzt die Zuschauerzahl auf etwa 135 .000 Millionen; ich vermute, dass es doch ein paar weniger gewesen sein müssen, dennoch muss man sich seinen Platz an der Lahn erkämpfen, um zu beobachten wie die etwa 300 Enten um die Führung ringen. 
Die Situation hat etwas leicht Absurdes, und doch fiebern wir bis zum Schluss mit unserer Marge it; die hat sich jedoch mit vielen anderen Enten an einem Ast gesammelt und verfolgt das Spektakel aus sicherer Entfernung in quakender Gesellschaft. 

Ob wir tatsächlich etwas gewonnen haben, wagen wir zu bezweifeln; und so machen wir uns um halb zwei auf die Suche nach einer Gardinenstange. Denn das ist das einzige, was mir noch fehlt zu meinem Glück, - denn die Bar, über der ich wohne, strahlt ab 19:00 Uhr mit hellblauem Licht in mein Zimmer hinein und es sieht beinahe danach aus, als lande gleich ein UFO. Da kann man sich denken, dass ich eine derartige Lightshow nicht noch einmal - geschweige denn jede Nacht - verfolgen möchte. 
Die Entenkonkurrenz
Wir schlendern durch die Stadt, die beinahe aus allen Nähten platzt; Menschen schieben sich durch die engen Gassen, kleine Stände sind aufgebaut und wir lassen uns treiben. Es ist sonnig und gar nicht so kalt. Doch all das schöne Wetter hilft uns wenig; denn auf eine Gardinenstange stoßen wir selbst am verkaufsoffenen Sonntag nicht. Stattdessen improvisieren wir, - und kaufen eine Besenverlängerung, die wir wenig später mit selbst verbogenen Haken anbringen; eine Studentenlösung eben.

Abends grillen wir gemeinsam mit ein paar Freunden auf unserer Dachterrasse. Beim Einkauf schlage ich vor, dass wir doch auch einen Salat machen können - und ernte fassungslose Blicke von drei Fleischfreunden. Letztlich gibt es gebackenen Halloumi, Würstchen und einen kleinen Thunfischsalat. Vollkommen entspannt starte ich in mein Studentenleben, das eigentlich schon längst begonnen hat. 

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