Dienstag, 19. Oktober 2010

Donnerstag: Eine "Kumulation" von Rekorden


Kuschelig: Zu Zehnt im Fernsprecher
Der Höhepunkt der Orientierungswoche – die Stadtrallye – steht an. Was habe ich davon nicht schon gehört? Wie ein schlimmes Märchen oder ein realer Alptraum wurde sie mir geschildert; eine meiner Mitbewohnerinnen stand noch vor ihrem Studiumsbeginn im Rahmen einer Kleiderkette halbnackt in Marburg, andere verbrachten die ersten Tage in ungewollt alkoholisiertem Zustand. Schon ab Montag begegnen mir teils glücklich, teils unglücklich gestimmte junge Menschen mit Hasenohren oder roten Nasen oder Luftballons auf dem Kopf. Spätestens ab Mittwoch geht das Gerücht umher, die Biologen hätten sich vollkommen ihrer Kleider entledigt und seien in die Lahn gesprungen. Noch bin ich mir nicht ganz sicher, was ich von all dem Zirkus halten soll, doch insgeheim hoffe ich, dass unsere Teamer sich glimpfliche Aufgaben für uns ausgedacht haben.

Wir beginnen Donnerstagnachmittag in der Biegenstraße. Gruppen werden eingeteilt und als Gruppe 1 verlassen wir zu zehnt das Gebäude in Richtung Schloss. Bei keiner der Stationen wissen wir, was uns erwartet, und ein wenig nervös schleppen wir uns zum Schluss hinauf. Das Thema der Fächerwahl lenkt uns ein wenig ab, und als wir schließlich bei schönstem Wetter das Landgrafenschloss erklimmen, stehen wir zweien unserer Teamer gegenüber, die wohlgestimmt das Gesicht in die spätherbstliche Sonne halten.
Vergnügt deuten sie auf die Telefonzelle, die nicht wenige Meter von uns steht.
Was meint ihr, fragt Gereon, wie viele Leute passen dort hinein? Unsere Aufgabe ist uns schon längst klar. Doch wir halten ein, überlegen, stapeln uns und unsere Kommilitonen im Geiste in die gelbe Fernsprechkabine – und schreiten anschließend zur Praxis. Als die ersten drei von uns bereits ächzend ihre Positionen eingenommen haben, ereilt uns das Glück, denn ein Kind samt Familie geht vorbei; in freundlichem Ton erkundigen wir uns, ob wir den Jungen mal „borgen“ könnten, und beinahe begeistert reiht er sich ein. Als Tina als letzte von uns nach etwa zehn Minuten die Tür zumacht, sind wir zu zehnt. Was soll man lange drum herumreden: ja, es ist eng. Aber das Ergebnis zählt.

Frohen Mutes verlassen wir das Schloss und machen uns auf in Richtung Marktplatz; dort müssen wir erst einmal etwas trinken. Wie wir hören, haben andere Gruppen sich vor Erledigung der anstehenden Aufgabe geweigert, dieser freundlichen Aufforderung durch unsere Teamer nachzukommen, – aus Angst, zu versagen. Man könnte behaupten, dass eine derartige Aussage in unserer Gruppe die gegenteilige Reaktion auslöse.
Gordischer Knoten am Marktplatz: Lösen des Unlösbaren
Nach einer ordentlichen Runde – und für manche nach einer zweiten – formieren wir uns im Kreis und schließen die Augen. Wir heben die Arme und laufen aufeinander zu, greifen halt- und hemmungslos nach den anderen, nehmen uns bei den Händen; auf diese Weise entsteht ein Gordischer Knoten, den Max, unser Jüngster, lösen soll. Und tatsächlich gelingt es ihm, unsere verknoteten Körper innerhalb von 1:02 Minuten zu dem Kreis zu entschlingen, den wir nur kurz zuvor noch bildeten. Bei dieser unglaublichen Leistung zeigen sich sogar unsere Teamer begeistert und ich meine mich erinnern zu können, dass eine weitere Runde darauf folgte.

Rekordverdächtig machen wir uns auf zu den Lahnwiesen, wo wir ein wenig gebremst werden in unserem Elan und unserer Freude; denn jetzt wird Limbo getanzt. Geradezu fassungslos beobachten wir, wie vor unseren eigenen Augen ein weiterer Rekord von 75 cm aufgestellt wird. Mit einigen hochgewachsenen Männern in der Gruppe, glauben wir schon beinahe, hier einstecken zu müssen. Doch innerhalb der nächsten Viertelstunde zeigt sich, dass das kein Kriterium ist. Max, unter anderem einer der Größten, gelingt es sogar, unter die 75 cm zu tanzen. So viel Einsatz muss belohnt werden, denkt sich auch unser Teamer Felix, und gibt Max eine Belohnung aus.

Nur wenige Meter von der Limbotanzfläche sitzen zwei weitere unserer Betreuer. Drei Stationen haben wir bereits bewältigt, weitere Drei fehlen uns noch; die folgende Aufgabe hingegen weckt den kindlichen Spieltrieb. Denn wir haben die außerordentliche Erlaubnis, Einen von uns komplett in Klopapier einzuwickeln, ohne dass er letztlich noch etwas sieht. Daraufhin muss er von den Lahnwiesen auf die Mensabrücke und wieder zurück sprinten, um eine der dort angebrachten Plastik-Becks-Gitarren aufzusammeln und zu uns zu bringen.
Es klingt nicht so nach Kulturwissenschaften.
Doch darum geht es ja auch nicht, noch nicht.
Der Kampfgeist ist da, wir sind noch immer hochkonzentriert und motiviert, die Zeit läuft und wir beginnen mit unserem Werk. Doch sowohl wir als auch Julian, der nun eine zweite Haut aus Zewa trägt, ahnen es schon: wir liegen stark zurück. Also wird unsere Mumie kurzerhand von zweien unserer Männer untergehakt und schon hasten sie auf die Brücke, während Julian immer mehr Klopapier verliert. Als er schließlich eintrifft, haben wir trotz allem die bisherige Bestzeit erreicht und unkontrolliert hüpfen wir über die Lahnwiesen.
Phil-Fak: Freude und Begeisterung 
nach einem neuen Rekord
Die letzten beiden Stationen sehen harmlosere Aufgaben vor; vor der Philosophischen Fakultät werden wir jeweils zu zweit aneinandergebunden und befördern kleine Kugeln – die symbolisch für Eier stehen – von einer Gruppe zur anderen; vor der Elisabethkirche stellen Tina und Max in unglaublichem Tempo pantomimisch Märchen, Völker und Kulturen dar. Dann ist es auch schon geschafft.

Gemütlich schlendern wir zurück. Uns begegnen Gruppen anderer Erstis, die danach aussehen, als erlebten sie eine etwas andere Rallye; wir hingegen sind erleichtert. Erleichtert, dass wir eine so angenehme Rallye spielen durften, so human – und doch unterhaltsam. Es muss ja nicht immer ins Extreme gehen.
Zurück in der Europäischen Ethnologie, werden Ergebnisse zusammen getragen, wir warten, und sind begeistert, als man uns auf den ersten Platz beruft – und uns eine Jumbobox Riesenwaffeln überreicht.

Der nächste Punkt auf unserem Programm steht erst um 22:00 Uhr an; dann begeben wir uns gemeinsam ins Trauma und tanzen. Am morgigen Freitag wird noch eine Fragerunde angeboten; und dann war es das auch schon mit der Orientierungswoche.
Sie ist gut verlaufen; entspannt, lustig, sportlich. Ich denke, dass ich für viele spreche, wenn ich mich an dieser Stelle bei den freundlichen und hilfsbereiten Teamern für einen ersten Einblick ins Studentenleben bedanke, der ihnen wirklich gelungen ist.




(Fotos: http://www.fachschaft-kultvolk.blogspot.com/ )

1 Kommentar:

  1. Hey Barbara,

    schöner Artikel (insbesondere wo ich so oft mit Namen genannt werde :-P )und vielen Dank für die allgemein lobenden Worte! ;-)
    Ich hoffe trotzdem, dass ich/wir dich mehr entwirrt als verwirrt habe...das war zumindest der Plan.*g*

    VLG
    Gereon

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