Freitag, 4. März 2011

Der Luxus der Kulturwissenschaft

Nur wenige Tage bleiben wir in Cáceres, bis wir schließlich nach Mérida fahren, das nur eine Autostunde entfernt ist und südlicher liegt. Als Kulturwissenschaftler können wir uns gegen einen Besuch des römischen Museums und des alten Amphitheaters – in dem wir und etwa hundert andere Touristen eine Hochzeit  miterleben – nicht wehren.
Neben einem Tagesausflug nach Bádajoz und dem Besuch des dortigen Museums, ist dies der Teil der Exkursion, der uns selbst am meisten Freiraum bietet, und geradezu erschlagen von den Eindrücken, und begeistert von dem guten Wetter, verbringen wir die meiste Zeit auf den Plazas Méridas.

Doch je mehr Freizeit wir in Mérida haben, desto schneller vergeht sie auch. Und so sitzen wir  nach zehn arbeitsintensiven, erholsamen und vergnüglichen Tagen wieder im Flieger, verlassen Spanien und die Extremadura. 
Wir sind froh, nicht mehr aus dem Koffer leben zu müssen; schon beinahe jeder von uns hat nach zehn Tagen den Punkt erreicht, an dem er sich – geradezu gezwungen durch den spanischen Schlussverkauf – neue T-Shirts gekauft oder eben alte in Hotelbadezimmern von Hand gewaschen hat.
Schon im Madrider Flughafen freuen wir uns auf Körnerbrote und niedrige Lebensmittelpreise. Doch eben so, wie deutsche Alltäglichkeiten zum Luxus wurden, geschieht es uns nun genau so mit dem spanischen Leben, an das wir uns bereits so gewöhnt haben. Zu allererst sind da die Sonne und die Wärme, aber eben auch die Oliven, Chips oder Cracker, die zum Bier gereicht werden. Und genau so die Überraschung, die uns die Extremadura bereitete mit ihrer Vielseitigkeit und ihrer rauen und doch beeindruckenden Schönheit. 

Aber was haben wir gelernt auf dieser Reise, auf dieser Exkursion, die meinen Studiengang im Gespräch mit anderen immer zwielichtiger erscheinen ließ und meine Gesprächspartner mit Fassungslosigkeit strafte? („Ihr fahrt mit der Uni nach Spanien?“ - "wir gucken uns die Extremadura an." - "Ihr guckt euch eine Gegend an?!")

Nun, eine Gegend tatsächlich erleben zu können, die man bisher nur aus (Tourismus-)Filmen kannte, ist natürlich ein Unterschied. Und dennoch ist es im Falle der Extremadura ein immenser; denn scheinbar verlacht vom Reste Spaniens, präsentierte sich die Gegend rund um Cáceres in einer erstaunlichen Schönheit. Das Feld, das in unserem Studiengang eine ganz besondere und existenzielle Funktion beinhaltet, erfährt einen neuen Stellenwert. 
Denn es ist tatsächlich einiges daran, sich ein eigenes Urteil zu bilden; hätte es die Exkursion nicht gegeben, so hätte auch ich nicht viel von diesem Landstrich Spaniens gehalten, hätte Bilder schwarz-weißer Berge und unzugänglicher Täler vor Augen, in denen kein Mensch lebt.  
Umso schöner also, dass wir dort waren. 

2 Kommentare:

  1. "Eine weitere Sitte des modernen spanischen Lebens scheint das Einkleiden von Hunden [...]"

    Nein. Eher gehört wohl das Töten von Hunden zu modernen spanischen Sitten. Ist allgemein bekannt. Als Kulturwissenschaftlerin solltest Du Dir mal ansehen, wie in Spanien mit Hunden umgegangen wird:

    http://www.youtube.com/watch?v=b_PssBGXksI

    Da verschwindet der romantisch-verklärte Blick ganz schnell, nicht wahr? So richtig intensiv wird dieses Erlebnis, wenn man sich dieses Schauspiel direkt live vor Ort ansieht. Aber deutsche Wohlstandskinder gehen lieber ins Museum. Die Realität ist für Kulturwissenschaftler wohlmöglich zu grausam. Genauso wie etwa die über 40-prozentige Jugendarbeitslosigkeit in Spanien.

    "Was den Chemikern das Labor ist, ist den Kulturwissenschaftlern die Exkursion."

    Viele Exkursionen wird es nicht mehr geben - mangels ausreichender Finanzierung. Dann gehts zurück ins Feld, allerdings nicht in das wissenschaftliche - mangels verwertbarer Fähigkeiten am Arbeitsmarkt.

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  2. Fehlenden Tierschutz anzuprangern ist gut und richtig - das Töten von Hunden als "moderne spanische Sitte" zu bezeichnen ist jedoch kurzsichtig und makaber. Ebenso erschreckend wie das behandelte Thema finde ich die blauäugige und pauschalisierende Art und Weise mit der das verlinkte Video seine Zuschauer anspricht.

    Was Studierende zu Wohlstandskindern macht ist für mich übrigens genauso unverständlich wie Ihre These der "zu grausamen Realität für Kulturwissenschaftler". Hier sei an die Forschung im Bereich der Konfliktanthropologie der letzten Jahre (vor allem in MR) verwiesen.

    ...wenn sich da mal kein Rudolfo hinter versteckt

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