Freitag, 29. Oktober 2010

Besser, wer fliehend entrann der Gefahr, als wen sie ereilte


Die Antike hat so manches bereits durchlebt; und man könne meinen, sie möge sich im Schatten ihres breiten Erfahrungsschatzes genüsslich ausruhen, wohl wissend, dass sie vergangen ist. Doch auch im Jahr 2010 greifen wir gerne auf sie und ihre Zeitgenossen zurück; beispielsweise auf Homer. Oder auf Vergil oder Cicero – denn scheinbar haben diese werten Herren die gleichen menschlichen Erfahrungen und Enttäuschungen erlitten, die auch wir mehr als zweitausend Jahre nach ihnen erleben; der Mensch ändert sich nicht, lediglich die Kultur, die ihn umgibt.

Zwar bezweifle ich, dass sich jene Dichter und Denker mit dem Exportmodul Philosophie im Bachelor Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaften herumschlagen mussten, ihren Rat befolge ich – zugegeben: im höchsten Grade peinlich berührt – dennoch. 

Letzte Woche erklärte man mir noch, dass ich mit der Wahl meines Studienganges eine privilegierte Existenz führe; wenige Tage später kommt mir das gar nicht mehr so vor. Ungern bekenne ich, dass ich die Einführung der Exportmodule in meinen individuellen Stundenplan doch nicht verstanden haben kann; dass es da ganz merkwürdige Überlappungen und Widersprüche gibt. Gerade, was das Exportmodul der Philosophie angeht. Geht das nur mir so? Bin ich die einzige, die da nicht durchblickt? Ich kann (und will) es eigentlich nicht glauben. Doch die Situation ändert sich dadurch nicht, im Gegenteil: sie zieht sich hin wie Kaugummi.
Beinahe verfluche ich diese Selbstständigkeit, die das Studieren mit sich bringt – ich will, dass ganz schnell jemand kommt und mir einen Stundenplan zaubert. Doch die sechste Klasse ist vorbei. So jemand kommt nicht mehr. 


Cicero: Die wahre Medizin
des Geistes ist die Philosophie

(Bild: de.academic.ru)
Ein bisschen verwirrt sitze ich da. 
Zwar erkenne ich das Problem, doch ich stehe ratlos davor wie ein Ochs vorm Berge. Was soll ich also tun? Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Diese Stundenplanerschaffung bringt mich (und meinen Tutor Clemens) geradezu ad ultimum, um nicht zu sagen zu den finibus bonorum et malorum. Ich will das richtige tun, ohne zu wissen,  was es ist. Ist das grenzenloser Idealismus oder überspielte Verzweiflung?

In einer Umfrage zur Universitätsstatistik werde ich gefragt, weshalb ich studiere. 
Einige der möglichen Antworten sind: 
- „Ich habe gerade nichts Besseres zu tun.“ 
- „Gute Jobaussichten“
- „Wissensgewinn“ 


Die ersten beiden Antworten treffen weder auf mich noch auf meinen Studiengang zu; aber ich würde tatsächlich gerne schlauer werden, - nur wer konnte ahnen, dass mit solchen Hindernissen zu rechnen sei, dass es eine Wissenschaft für sich sei, das System zu durchblicken? Es mag einiges an der neuen Studienordnung liegen, die noch nicht jeden Fachbereich erreicht hat; es mag noch viel mehr an mir liegen, - zumindest winde ich mich geradezu verzweifelt in einem Netz aus Fragen und verstehe am Ende die Welt nicht mehr. 

Ein unschönes Gefühl.
Und während ich da sitze und mein Kopf einem Kraftwerk gleicht, stelle ich fest, dass es mich recht unglücklich macht, wie mein Dasein verläuft; und kann das das Ziel meines Studiums sein? 
Ich weiß, dass niemand glücklich oder auch nur erträglich leben kann, ohne Studium der Weisheit - erwidert Seneca. Aber der ist auch schon tot. In meinem Falle befürchte ich beinahe, dass ich in diesem Semester auch nicht mit der Philosophie glücklich werde. 
Um 12.10 Uhr habe ich meine Entscheidung getroffen. Mit erhobenen Händen ergebe ich mich und erkenne, dass hier ein Grad der Logik erreicht wurde, der mir noch verschlossen ist, - und den ich noch nicht bereit bin, zu erkennen. Ich verabschiede mich von der gelehrten Philosophie; von der Wahrheitsfindung, von Hume und der Phänomenologie. 
Natürlich schmerzt das. Man konnte sich einiges drauf einbilden. 
Doch flüchte ich mich in die Tatenlosigkeit? 
Nein. 
Ich werde mich erst einmal in meinem eigenen Studiengang umsehen - denn auch das ist möglich im Studiengang vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft. Wenn ich wollte, könnte ich jedes Semester mein Exportmodul austauschen, oder auch erst im dritten oder vierten Semester mit dem Studium eines weiteren Faches beginnen. Ich komme also wieder. Bis dahin mache ich mir meine eigenen Gedanken. 


Sonntag, 24. Oktober 2010

Kann das wahr sein? - Die erste Studienwoche in Worten

Gerade noch in Klopapier durch die Stadt gerannt, schon verschmelzen wir in der Menge mit anderen Studenten; ganz selbstverständlich sitzen wir in der Mensa oder in der BIB; natürlich kennen wir unsere Wege in die Völkerkunde, in die Religionswissenschaft und in die Europäische Ethnologie. 
Wir kommen immer pünktlich fünfzehn Minuten zu spät. 
Man nennt es das akademische Viertel, und wir, ja, wir sind hier, um Akademiker zu werden.

Aber auch, wenn uns das Unigeschehen beinahe vertraut erscheint, sind wir noch immer Erstis – und dies ist ein Dasein, das von Vorteilen, Nachteilen und bei Zeiten auch von Vorurteilen bestimmt wird. In einem vollkommen überlaufenen Seminar werden wir inoffiziell gebeten, den Raum anderen Studierenden zu überlassen bzw. unsere Wahl doch noch einmal zu überdenken; auf meiner verzweifelten Suche nach einem Raum in der Phil-Fak hakt man mich unter. Ich bin Ersti, erkläre ich ein bisschen ratlos, als ich vorm Fahrstuhl stehe, meinen Stundenplan in der Hand, mir wird vergeben und geholfen.

Hörsaalgebäude: Ein Blick nach oben
Es ist nicht das erste Mal, dass ich meine Tarnung derart schnell fallen lasse. Und mit diesem Satz schließen und öffnen sich innerhalb der folgenden Woche gleichermaßen viele Türen – metaphorischer wie tatsächlicher Natur; ein Dozent zeigt sich geradezu begeistert bei der hohen Zahl Neustudierender, andere Studenten seufzen bei organisatorischen Fragen. Ich kann es ja ein wenig verstehen; aber wer ist schon gerne unerfahren, wenn es auch noch alle wissen?

Für mich startet die Woche am Montagmorgen im Hörsaalgebäude. Mein Sitznachbar erklärt, dass es gerade renoviert wird; das ist gut, denke ich mir, wenn ich so an die Decke gucke.
Meine erste Veranstaltung an diesem Tage gehört zum Exportmodul Philosophie und es sind bis jetzt tatsächlich mehr Wissenshungrige erschienen, als ich das gedacht habe. Am Gymnasium sind die Philosophen stark in der Minderheit; an der Uni tauchen sie plötzlich in Heerscharen auf. Wo kommen sie her, all diese Philosophen?
Ich unterhalte mich mit meinem Nachbarn; über Unisport, über Exportmodule, über vieles. Doch während der Hörsaal sich langsam füllt, bleibt ein Platz frei: der Platz des Lehrenden. Und so endet mein erster Ausflug in die Phänomenologie tatenlos, - denn für heute fällt die Vorlesung aus. Es ist halb eins und für heute habe ich frei. 
Darf ich das schreiben? 
Ich vermeide es beinahe, mit meinen Mitbewohnern über meinen Stundenplan zu reden. Als Pharmazeuten, Physiker, Mathematiker und Chemiker sind sie beinahe den ganzen Tag in der Uni. Und ich? Ich habe freitags frei. Bei der Erstellung der Stundenpläne wurde mir wärmstens ans Herz gelegt, nicht mehr als zwölf Semesterwochenstunden zu verfolgen. Mit mittlerweile achtzehn Stunden erscheine ich mir – und anderen Kommilitonen - geradezu todesmutig.

Phil-Fak: Der Wahrheit auf den
Grund gehen
Während ich montags noch am Zweifeln bin, werde ich Dienstag darin bestätigt, dass doch letztlich die Qualität der Vorlesungen und Seminare entscheidet; es ist 12.15 Uhr und der Raum 03 im Block B der Philosophischen Fakultät ist brechend voll.
Hier oben ist es schöner, als man von außen vermuten könnte. Wieder füllen sich die Reihen mit Philosophen, - es geht nämlich um Wahrheit. Um die außerordentlich provokante Frage: Was ist Wahrheit? Eine Frage, die ich schon bald beinahe täglich mit meinen Mitbewohnern aufgreifen werde. Doch in der ersten Sitzung beobachte ich noch; lausche dem Dozenten, sehe mich ein wenig um und staune über die folgende Diskussion, die los getreten wird. Fast wünsche ich, ich könnte mitreden.

Mittwochabend stellt sich unser Fachbereich samt Fachschaft im Rahmen eines kleinen Sektempfanges vor; wieder tauchen neue Gesichter auf, in kleinen Kreisen unterhalten wir uns, knabbern Salzstangen und Cracker. Auf die Frage hin, was wir denn beruflich mit diesem Studiengang ansteuern können, erhalten wir eine relativ weitläufige Antwort: Alles und nichts! Eine derartige Aussage ermuntert natürlich zu Spekulationen - entmutigt uns jedoch nicht. 
Auch Donnerstag werden wir erneut darauf hingewiesen, wie breit gefächert unser Studiengang doch ist: Eine Kombination aus Religionswissenschaft, Kultur- und Sozialanthropologie und Europäischer Ethnologie ist in Deutschland, wenn nicht auf der ganzen Welt, einmalig. Und wir, neunzig Erstsemester, haben ihn gefunden. In der Einführungsvorlesung wird uns zu unserer Entscheidung gratuliert. Wir hätten Glück. Ein bisschen geschmeichelt blicken wir uns um. 
Ob das stimmen mag? Oder doch nur reine Floskel ist? Obligatorischer Satz der Begrüßung oder doch bescheidene Darstellung einer großen Wahrheit? 
Noch wissen wir es nicht. 
Aber Eines ist gewiss: dies ist der Beginn von etwas Neuem, etwas Großem. 
Und wir freuen uns darauf. 

Dienstag, 19. Oktober 2010

Orientierungswoche: Verwirrung und Spaß

Wenn es Eines gibt, das ich in der vergangenen Woche gelernt habe, dann ist es ohne Frage die Tatsache, dass Verwirrung und Spaß sehr nah beieinander liegen können; was ist in dieser Woche nicht alles geschehen?
Ich sah dabei zu, wie sich meine frischgebackenen Kommilitonen angestrengt zu zehnt in eine Telefonzelle quetschten; ich sah, wie einer von ihnen mumifiziert über die Mensabrücke düste, einzig von einem Gedanken beflügelt, nämlich eine aufblasbare Beck's-Gitarre zurück auf die Lahnwiesen zu bringen; gemeinsam lösten wir einen gordischen Knoten am Marktplatz und tanzten ausgelassen zu den Weltraumklängen von DJ Rakete.
Doch beginnen wir da, wo alles anfing.

Dienstag: VK = KSA

Dienstagmorgen finden sich etwa 90 Erstsemesterstudenten in der Biegenstraße 9 ein, um dort von einer Gruppe von Bereits-Studierenden des Studienganges Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft in Empfang genommen zu werden. Auf dem Programm steht ein Brunch, um sich erst einmal kennen zu lernen. Essen vereint, - und so blickt man sich zunächst neugierig um, prägt sich Namen und Gesichter ein und vergisst auch ein paar von ihnen wieder. Einige der neuen Kommilitonen sitzen direkt neben mir, andere lerne ich am Buffet kennen; denn so ein Brunch zu Neunzigst kann schnell zu einem beinahe verlegenen Kampf um Nutella und Kaffee ausarten und so tauschen wir uns aus, während wir da in der Schlange stehen und darauf warten, selbst am Zuge zu sein.

So oder so: Nach dem kleinen Frühstück hat man mindestens zwei Menschen um sich, mit denen man den Rest des Tages oder vielleicht ja sogar den Rest des Studiums bestreiten kann.
Doch so weit denken wir noch gar nicht; von den Betreuern werden wir in Gruppen aufgeteilt und erhalten eine kleine Stadtführung zu den wahrscheinlich wichtigsten Stationen unseres anstehenden Studiums; die alte Universität, die Religionswissenschaft, die Philosophische Fakultät, die Völkerkunde, letztlich die Mensa. Dort erhalten wir eine U-Card, die wir auch augenblicklich aufladen, um anschließend die Mensa zu testen.
Noch ein bisschen unsicher und auch ein wenig staunend stellen wir uns an, beladen unsere Tabletts und setzen uns schließlich an einen der zahlreichen Tische. Zu sechst diskutieren wir, überlegen, welche Sprachen wir lernen werden. Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Niederländisch, Spanisch oder doch Französisch? Wir philosophieren über mögliche Schwerpunkte und über den Unisport. Einige von uns haben bereits konkrete Ideen, andere hingegen - und ich zähle mich dazu - sind zu allem bereit. Zwar kennen wir uns mit all den möglichen Gegebenheiten unseres Studiums noch gar nicht aus, doch in dieser Runde darüber zu reden und vielleicht ein wenig zu träumen, passt nur zu gut an diesen Ort.

Nach der großzügigen - und auch nötigen - Mittagspause werden uns in kleinen Gruppen die Stundenpläne erklärt; und tatsächlich nehmen sie uns ein wenig den Wind aus den Segeln, denn auf den ersten Blick wirkt alles verwirrend. Die exemplarisch erstellten Stundenpläne, die möglichen Nebenfächer, die Begriffe der Profilmodule und Basismodule fliegen uns um die Ohren; langsam begreift man die unglaublich vielen Möglichkeiten, doch ein Berg von Fragen türmt sich bei jedem weiteren Satz, den Gereon, unser Betreuer, von sich gibt.
Man erkennt, auch wenn man es bereits ahnte, wie verwöhnt man doch in der Schulzeit durchs Leben lief; andere Menschen regelten deine Woche, hier bist du es selbst. Verantwortung gewichtet sich vollkommen anders, und doch ist die Freiheit ebenso größer. Das System des Studienganges der Vergleichenden Kultur- und Religionswissenschaft ist komplex, und gerade deshalb nicht sofort zu verstehen - so hoffe ich es zumindest. 
Doch nun, nach etwa einer Woche, steht mein Stundenplan bereits. Das Interessante ist dabei, dass jeder der 90 Erstsemesterstudenten zwar feste Bestandteile der Kultur- und Religionswissenschaft verfolgt, und doch selbst bis zu drei begleitende "Fächer" wie etwa Philosophie, Orientalistik, Friedens- und Konfliktforschung oder auch Kunstgeschichte belegen kann; so erstellt jeder seinen individuellen Studiengang - und so kann es auch passieren, dass man viele seiner 90 Kommilitonen in der Orientierungswoche zum ersten und zum letzten Mal sieht; erzählen uns Felix und Nikolas noch kurz vorm Mittagessen. Nun sitzen wir in der Biegenstraße und grübeln über den Tabellen und Abkürzungen. In all dem Fragendschungel lässt Gereon sich schließlich zu einer simplen Aussage hinreißen:  Sage ich VK, meine ich KSA. Die soll eigentlich erklären, verwirrt uns jedoch zunächst. Doch allmählich begreifen wir; es dauert zwar - und kostet Gereon viel Geduld, doch letztlich wird er mit langsam verstehenden Blicken belohnt.

Mittwoch: Neue deutsche Inflation

Während der Vormittag des heutigen Tages beinahe gemütlich verläuft – nämlich mit der Vorstellung der Gebäude der Religionswissenschaft und der Völkerkunde –, fordert der Nachmittag Kreativität, Eloquenz und Ausdauer zugleich. Was sich nach viel anhört, ist eigentlich recht simpel: wir sollen Dinge tauschen, erhalten Teebeutel, die wir gegen beliebige Gegenstände im Dialog mit der Marburger Bevölkerung wechseln sollen.
Am Ende des Tages wird von einer Jury entschieden, welcher getauschte Gegenstand gewinnt.
Etwas schleppend verlassen wir die Biegenstraße 9 und scannen die Straßen nach Tauschobjekten. Wir begegnen einer anderen Ersti-Truppe, deren vermeintlicher Chef ein großes Plüschhuhn auf dem Kopf trägt und keine Sätze (mehr) sprechen kann. Wir fragen nicht nach dem Studiengang. Doch für einen Teebeutel tauschen sie einen Fahrradsattelregenschutz ein.
Weiter geht’s; wir tauschen uns über die Lahn hin zur Mensa, tauschen uns von dort in die Oberstadt – und müssen immer wieder die Erfahrung machen, dass das Tauschspiel in vielen Marburgern nicht dieselbe Begeisterung hervorruft; oft betreten wir Geschäfte, ohne unser Anliegen tatsächlich vorbringen zu müssen – denn sie ahnen bereits, was wir vorhaben und so legen sie teils wortlos eine Bürste, ein Feuerzeug oder Bonbons auf den Tresen. In einem kleinen Laden erlebt die Inflation der 1920er Jahre eine Renaissance, denn hier wird ein 100-Mark-Schein bereitwillig gegen ein blaues Sandförmchen Modell Schildkröte getauscht. Ein Antiquar wiederum scheucht uns hinaus; hier wird nichts getauscht!

Mittlerweile haben wir unsere Sammlung von einem Gegenstand erweitert; mit einer ganzen Kiste laufen wir durch die Oberstadt. Sie ist gefüllt mit Stickern, einer Kerze, Tee, einem kleinen Schneemann, Karten, Lesezeichen, einem Ratgeberbuch für Frauen über den Umgang mit Männern, einem Spiegel und vielem mehr. Doch den Gegenstand, der für uns ins Rennen gehen wird, erhalten wir in keinem Geschäft; wir treffen ihn auf der Straße. Ein eiliger junger Musiker hetzt an uns vorbei, doch wir halten ihn auf und nach einigen kurzen Worten der Erklärung schenkt er uns eines seiner Plektren. Man kann Bart Simpson darauf erkennen, genau so die Spuren des jungen Musikers, denn das Plektron ist bereits arg genutzt worden. Mit einem so individuellen Gegenstand in der Tasche, mit einem Gegenstand, der eine Geschichte erzählt, beenden wir unser Tauschspiel und fast erleichtert steuern ein Café an.

Als wir schließlich in versammelter Runde und unter Beobachtung der Jury unsere Tausch-Odyssee vorbringen, schaffen wir es auf den zweiten Platz; geschlagen werden wir nur von einer Geschichte aus Tauschgegenständen, an deren Ende eine Plastikpalme steht. Das können wir verkraften.

Donnerstag: Eine "Kumulation" von Rekorden


Kuschelig: Zu Zehnt im Fernsprecher
Der Höhepunkt der Orientierungswoche – die Stadtrallye – steht an. Was habe ich davon nicht schon gehört? Wie ein schlimmes Märchen oder ein realer Alptraum wurde sie mir geschildert; eine meiner Mitbewohnerinnen stand noch vor ihrem Studiumsbeginn im Rahmen einer Kleiderkette halbnackt in Marburg, andere verbrachten die ersten Tage in ungewollt alkoholisiertem Zustand. Schon ab Montag begegnen mir teils glücklich, teils unglücklich gestimmte junge Menschen mit Hasenohren oder roten Nasen oder Luftballons auf dem Kopf. Spätestens ab Mittwoch geht das Gerücht umher, die Biologen hätten sich vollkommen ihrer Kleider entledigt und seien in die Lahn gesprungen. Noch bin ich mir nicht ganz sicher, was ich von all dem Zirkus halten soll, doch insgeheim hoffe ich, dass unsere Teamer sich glimpfliche Aufgaben für uns ausgedacht haben.

Wir beginnen Donnerstagnachmittag in der Biegenstraße. Gruppen werden eingeteilt und als Gruppe 1 verlassen wir zu zehnt das Gebäude in Richtung Schloss. Bei keiner der Stationen wissen wir, was uns erwartet, und ein wenig nervös schleppen wir uns zum Schluss hinauf. Das Thema der Fächerwahl lenkt uns ein wenig ab, und als wir schließlich bei schönstem Wetter das Landgrafenschloss erklimmen, stehen wir zweien unserer Teamer gegenüber, die wohlgestimmt das Gesicht in die spätherbstliche Sonne halten.
Vergnügt deuten sie auf die Telefonzelle, die nicht wenige Meter von uns steht.
Was meint ihr, fragt Gereon, wie viele Leute passen dort hinein? Unsere Aufgabe ist uns schon längst klar. Doch wir halten ein, überlegen, stapeln uns und unsere Kommilitonen im Geiste in die gelbe Fernsprechkabine – und schreiten anschließend zur Praxis. Als die ersten drei von uns bereits ächzend ihre Positionen eingenommen haben, ereilt uns das Glück, denn ein Kind samt Familie geht vorbei; in freundlichem Ton erkundigen wir uns, ob wir den Jungen mal „borgen“ könnten, und beinahe begeistert reiht er sich ein. Als Tina als letzte von uns nach etwa zehn Minuten die Tür zumacht, sind wir zu zehnt. Was soll man lange drum herumreden: ja, es ist eng. Aber das Ergebnis zählt.

Frohen Mutes verlassen wir das Schloss und machen uns auf in Richtung Marktplatz; dort müssen wir erst einmal etwas trinken. Wie wir hören, haben andere Gruppen sich vor Erledigung der anstehenden Aufgabe geweigert, dieser freundlichen Aufforderung durch unsere Teamer nachzukommen, – aus Angst, zu versagen. Man könnte behaupten, dass eine derartige Aussage in unserer Gruppe die gegenteilige Reaktion auslöse.
Gordischer Knoten am Marktplatz: Lösen des Unlösbaren
Nach einer ordentlichen Runde – und für manche nach einer zweiten – formieren wir uns im Kreis und schließen die Augen. Wir heben die Arme und laufen aufeinander zu, greifen halt- und hemmungslos nach den anderen, nehmen uns bei den Händen; auf diese Weise entsteht ein Gordischer Knoten, den Max, unser Jüngster, lösen soll. Und tatsächlich gelingt es ihm, unsere verknoteten Körper innerhalb von 1:02 Minuten zu dem Kreis zu entschlingen, den wir nur kurz zuvor noch bildeten. Bei dieser unglaublichen Leistung zeigen sich sogar unsere Teamer begeistert und ich meine mich erinnern zu können, dass eine weitere Runde darauf folgte.

Rekordverdächtig machen wir uns auf zu den Lahnwiesen, wo wir ein wenig gebremst werden in unserem Elan und unserer Freude; denn jetzt wird Limbo getanzt. Geradezu fassungslos beobachten wir, wie vor unseren eigenen Augen ein weiterer Rekord von 75 cm aufgestellt wird. Mit einigen hochgewachsenen Männern in der Gruppe, glauben wir schon beinahe, hier einstecken zu müssen. Doch innerhalb der nächsten Viertelstunde zeigt sich, dass das kein Kriterium ist. Max, unter anderem einer der Größten, gelingt es sogar, unter die 75 cm zu tanzen. So viel Einsatz muss belohnt werden, denkt sich auch unser Teamer Felix, und gibt Max eine Belohnung aus.

Nur wenige Meter von der Limbotanzfläche sitzen zwei weitere unserer Betreuer. Drei Stationen haben wir bereits bewältigt, weitere Drei fehlen uns noch; die folgende Aufgabe hingegen weckt den kindlichen Spieltrieb. Denn wir haben die außerordentliche Erlaubnis, Einen von uns komplett in Klopapier einzuwickeln, ohne dass er letztlich noch etwas sieht. Daraufhin muss er von den Lahnwiesen auf die Mensabrücke und wieder zurück sprinten, um eine der dort angebrachten Plastik-Becks-Gitarren aufzusammeln und zu uns zu bringen.
Es klingt nicht so nach Kulturwissenschaften.
Doch darum geht es ja auch nicht, noch nicht.
Der Kampfgeist ist da, wir sind noch immer hochkonzentriert und motiviert, die Zeit läuft und wir beginnen mit unserem Werk. Doch sowohl wir als auch Julian, der nun eine zweite Haut aus Zewa trägt, ahnen es schon: wir liegen stark zurück. Also wird unsere Mumie kurzerhand von zweien unserer Männer untergehakt und schon hasten sie auf die Brücke, während Julian immer mehr Klopapier verliert. Als er schließlich eintrifft, haben wir trotz allem die bisherige Bestzeit erreicht und unkontrolliert hüpfen wir über die Lahnwiesen.
Phil-Fak: Freude und Begeisterung 
nach einem neuen Rekord
Die letzten beiden Stationen sehen harmlosere Aufgaben vor; vor der Philosophischen Fakultät werden wir jeweils zu zweit aneinandergebunden und befördern kleine Kugeln – die symbolisch für Eier stehen – von einer Gruppe zur anderen; vor der Elisabethkirche stellen Tina und Max in unglaublichem Tempo pantomimisch Märchen, Völker und Kulturen dar. Dann ist es auch schon geschafft.

Gemütlich schlendern wir zurück. Uns begegnen Gruppen anderer Erstis, die danach aussehen, als erlebten sie eine etwas andere Rallye; wir hingegen sind erleichtert. Erleichtert, dass wir eine so angenehme Rallye spielen durften, so human – und doch unterhaltsam. Es muss ja nicht immer ins Extreme gehen.
Zurück in der Europäischen Ethnologie, werden Ergebnisse zusammen getragen, wir warten, und sind begeistert, als man uns auf den ersten Platz beruft – und uns eine Jumbobox Riesenwaffeln überreicht.

Der nächste Punkt auf unserem Programm steht erst um 22:00 Uhr an; dann begeben wir uns gemeinsam ins Trauma und tanzen. Am morgigen Freitag wird noch eine Fragerunde angeboten; und dann war es das auch schon mit der Orientierungswoche.
Sie ist gut verlaufen; entspannt, lustig, sportlich. Ich denke, dass ich für viele spreche, wenn ich mich an dieser Stelle bei den freundlichen und hilfsbereiten Teamern für einen ersten Einblick ins Studentenleben bedanke, der ihnen wirklich gelungen ist.




(Fotos: http://www.fachschaft-kultvolk.blogspot.com/ )

Dienstag, 12. Oktober 2010

Enten und Gardinen

Meine Orientierungswoche startet bereits Samstagabend. Noch keine vierundzwanzig Stunden bin ich hier, mein Zimmer ist bereits bezogen, meine Eltern befinden sich auf dem Heimweg; ich sitze in meinem neuen Zuhause und blicke ein wenig überrascht um mich. Das ging schnell.

Doch viel Zeit zum Erholen bleibt nicht; denn in nicht weniger als einer halben Stunde breche ich mit meinen neuen Mitbewohnern auf, um eine exklusive Stadtführung zu erhalten. Zunächst schlendern wir über den Marktplatz, treffen Freunde, kehren schließlich in einer der zahlreichen Bars ein und erzählen. Schon bald fühlt es sich sehr vertraut an, zu sechst gehen wir hinauf zum Schloss und ich bedauere für einen Moment, dass es keinen Aufzug von der Oberstadt in die Ober-Oberstadt gibt. Aber daran muss man sich gewöhnen, meinen auch die anderen. So ist das in Marburg. 

Als wir schließlich ankommen, liegt die Stadt friedlich vor uns, es ist dunkel, aber unser Haus ist auch von hier oben leicht zu finden. Nach einem kurzen Aufenthalt und lustigen Geschichten aus dem Studentenleben zieht es uns ins Delirium, wo ich gleich die Bekanntschaft mit der Hausspezialität, dem Rostigen Nagel, machen kann. Zwar halte ich mich noch zurück, aber als stiller Beobachter verfolge ich, wie zwei meiner Mitbewohner den angeblichen Teufelstrunk hinunterstürzen. 

Der Sonntagmorgen ist verschlafen.

Vivane und Marge wenige Minuten vor Anpfiff
Ich teste die Dusche und stelle zufrieden fest, dass es heißes Wasser gibt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich; nach einem Jahr in Nicaragua sind sowohl warmes Duschen als auch kalte Winter noch immer etwas, das ich beinahe vergessen habe. Um kurz nach zehn trudelt Vivane ein, eine Freundin meiner
Mitbewohner. Da heute das Weidenhäuser Entenrennen ansteht, machen wir uns gemeinsam ans Entenpimpen, wie mein Mitbewohner es nennt; allerdings haben wir die Zeit unterschätzt und die zwei Stunden, die uns noch vom Entenstart trennen, vergehen in all der Kreativität recht schnell. Christian, als Physiker und Mathematiker, organisiert und durchdenkt die genaue Form und das Material, während Vivane als Chemikerin vergeblich von einem Methanantrieb träumt. Provisorisch suchen wir alle möglichen Reste zusammen, und basteln an unserer Ente; eher durch Zufall als durch Planung entsteht Marge Simpson. 
Noch auf dem Weg zum Weidenhäuser Entenrennen sind wir der festen Überzeugung, dass unsere Marge nicht nur die schönste Ente von allen sei, sondern auch die schnellste. Als wir jedoch die Massen an aufgebauten Enten begutachten, wird schnell klar, dass andere Teilnehmer etwas früher mit dem Basteln angefangen haben. 

Mit der Startnummer 232 geht Marge ins Rennen und begeistert verfolgen wir, wie ein Rettungsboot der DLRG die Enten ins Wasser lässt. Der Moderator des Entenrennens schätzt die Zuschauerzahl auf etwa 135 .000 Millionen; ich vermute, dass es doch ein paar weniger gewesen sein müssen, dennoch muss man sich seinen Platz an der Lahn erkämpfen, um zu beobachten wie die etwa 300 Enten um die Führung ringen. 
Die Situation hat etwas leicht Absurdes, und doch fiebern wir bis zum Schluss mit unserer Marge it; die hat sich jedoch mit vielen anderen Enten an einem Ast gesammelt und verfolgt das Spektakel aus sicherer Entfernung in quakender Gesellschaft. 

Ob wir tatsächlich etwas gewonnen haben, wagen wir zu bezweifeln; und so machen wir uns um halb zwei auf die Suche nach einer Gardinenstange. Denn das ist das einzige, was mir noch fehlt zu meinem Glück, - denn die Bar, über der ich wohne, strahlt ab 19:00 Uhr mit hellblauem Licht in mein Zimmer hinein und es sieht beinahe danach aus, als lande gleich ein UFO. Da kann man sich denken, dass ich eine derartige Lightshow nicht noch einmal - geschweige denn jede Nacht - verfolgen möchte. 
Die Entenkonkurrenz
Wir schlendern durch die Stadt, die beinahe aus allen Nähten platzt; Menschen schieben sich durch die engen Gassen, kleine Stände sind aufgebaut und wir lassen uns treiben. Es ist sonnig und gar nicht so kalt. Doch all das schöne Wetter hilft uns wenig; denn auf eine Gardinenstange stoßen wir selbst am verkaufsoffenen Sonntag nicht. Stattdessen improvisieren wir, - und kaufen eine Besenverlängerung, die wir wenig später mit selbst verbogenen Haken anbringen; eine Studentenlösung eben.

Abends grillen wir gemeinsam mit ein paar Freunden auf unserer Dachterrasse. Beim Einkauf schlage ich vor, dass wir doch auch einen Salat machen können - und ernte fassungslose Blicke von drei Fleischfreunden. Letztlich gibt es gebackenen Halloumi, Würstchen und einen kleinen Thunfischsalat. Vollkommen entspannt starte ich in mein Studentenleben, das eigentlich schon längst begonnen hat. 

Freitag, 8. Oktober 2010

Marburg: ein gutes Gefühl

Als ich mich dazu entschließe, mein Studium in Marburg an der Lahn zu beginnen, sitze ich auf meinem Bett in Nicaragua; es ist ein grauer Nachmittag im November, die Türe zum Hof steht halb offen und wir hören es regnen. Noch besteht meine tägliche Arbeit darin, als Freiwillige in einer staatlichen Grundschule Englisch und Sport zu unterrichten; doch mit den Gedanken ist fast jeder von uns einen Schritt weiter: die Frage des Studiums ist beinahe quälend. 
Eine meiner deutschen Freundinnen sitzt im Schneidersitz neben mir, gemeinsam kämpfen wir uns durch den Internet-Dschungel der deutschen Uniangebote, und verzweifeln mit jedem weiteren Klick ein bisschen mehr; die Seiten der meisten Hochschulen sind unübersichtlich. Und verwirren. Einzig ein paar Bilder muntern uns auf und lenken ab; wir sehen kastenförmige Bauten, junge Menschen mit ernsten Gesichtern im Gespräch auf der Treppe eines Altbaus, andernorts werden unzählige Hüte in den Himmel geworfen. Doch auch das kann nicht über unsere Grundstimmung hinwegtäuschen; was für die eine Uni gilt, gilt nicht gleich für die andere, dort schreibt man sich ein, hier bewirbt man sich online, mal per ZVS, mal nicht. Das einzige, was überall zu finden ist, ist der Widerspruch; sie schicken den unwissenden Besucher von einem Link zum anderen, - letztlich landet man jedoch ganz woanders und zweifelt an seinem Abitur. 

Auf keine der Seiten, die wir besuchen, lasse ich mich tatsächlich ein; denn eigentlich bin ich nur Begleitung, eigentlich habe ich meine Universität bereits gefunden, - das glaube ich zumindest. Drum gebe ich mir nicht sonderlich viel Mühe, klicke mal ein bisschen wild herum, betrachte bei einigen Seiten das Studienangebot, doch noch immer eher halbherzig, während meine Freundin wagemutig versucht, in das System vorzudringen. 
Hier, sagt sie schließlich und deutet mit dem Finger auf den Bildschirm, hier gehe ich vielleicht hin. Ich lege den Kopf schief, und betrachte die Internetseite der Philipps-Universität Marburg.
Ich bin mir noch nicht sicher, fügt sie hinzu und überlegt. Und während sie überlegt, nehme ich diese Universität, diese Stadt, diese Möglichkeit ein wenig genauer unter die Lupe. Das, was ich sehe, gefällt mir: Das Landgrafenschloss thront über einer Gruppe von lachenden, glücklichen Studenten, der Himmel ist blau, die Stimmung unbekümmert. Es sieht ein bisschen aus wie bei Harry Potter, bis auf den kleinen Unterschied, dass in Marburg nicht gezaubert wird. Es ist klein und überschaubar, keine Stadt, in der ein Student Gefahr läuft, verschluckt zu werden.

Kein Köln, kein Berlin, kein München.
Nein, Marburg. Dort klebe man politische Botschaften auf Laternenpfähle oder man spraye sie an Häuserwände: Man sei ein bisschen links in Marburg, man lasse sich nicht so viel gefallen, dort habe die 68er-Bewegung angefangen, dort, in Marburg. Das sagt man in Bochum. Die Stadt, aus der ich komme, liegt im Ruhrgebiet, zwischen Essen und Dortmund, und das muss man meist dazu sagen. Auch hier gibt es eine Universität, eine der größten der Region sogar, aber das habe ich in den ersten zwanzig Jahren meines Lebens kaum gemerkt. Es ist eine Campus-Uni, deren Studenten kommen und gehen, ohne dass man es der Stadt ansehen kann. Das sei in Marburg anders. 
Die älteste protestantische Universität der Welt – so heißt es auf wikipedia – verlangt keine 500 Euro pro Semester und hat nebenbei Kontakte in die ganze Welt; tatsächlich bestärkt mich auch die Auslandskorrespondenz neben dem Studienangebot zu dem großen Schritt, den ich bereit bin, zu tun. Noch am gleichen Tag schicke ich eine Mail nach Hause, wie ich es immer tue, wenn es etwas Neues gibt, etwas, das mich beflügelt. Aber im Gegensatz zu vielen früheren Universitätsplänen meinerseits bleiben der Standort Marburg wie auch der Studiengang der Vergleichenden Kultur- und Religionswissenschaft bestehen. Und so ist von diesem Tag an klar, dass es mich nach Hessen ziehen wird. Nach Hessen, nicht nach Holland, wo ich mich eigentlich studieren sah; und obgleich ich nicht weiß, was ich dort verpasse, habe ich das angenehme Gefühl, den richtigen Ort gefunden zu haben. 

Dieses Gefühl ändert sich nicht.
Fast ein Jahr später sitze ich im Bus der Linie 7, Richtung Hauptbahnhof. Die Sonne geht gerade unter und ich habe soeben meinen Mietvertrag unterschrieben. Die Wohnungssuche, die angebliche Königsdisziplin der Stadt, verlief in meinem Falle geradezu friedlich; innerhalb von zwei Tagen habe ich mir etwa fünf WGs angesehen und befand mich sogar in der glücklichen Situation, auswählen zu können. Es ist das dritte Mal, dass ich hier bin. Ich kann bereits mit meinem Semesterticket reisen; und das sei eines der tollsten Tickets überhaupt, sagen alle Studenten, mit denen ich bisher gesprochen habe. 
Bei der nächsten Haltestelle steigt eine etwas ältere Frau ein; es ist eng im Bus und beinahe alle Plätze sind belegt. Doch augenblicklich springen mehrere junge Menschen auf und bieten ihr den eigenen Platz an. In Marburg macht man das so. 
Während ich aus dem Fenster schaue, stelle ich zufrieden fest, dass es sogar schöner aussieht als im Internet; denn die Stadt, die mir schon bald ein Zuhause sein wird, überrascht mit vielen kleinen Pluspunkten, die zu meiner Zufriedenheit nur beisteuern. So zum Beispiel der auch über Marburgs Grenzen hinaus bekannte Aufzug in die Oberstadt, dessen Benutzung einfach und durchaus - für jemanden, der aus einer Gegend kommt, in der ein Berg einer Attraktion gleicht - unterhaltsam ist. In einer Stadt, in der man auf eine derartige Idee kommt, kann es mir nur gut gehen. Es bleibt: ein gutes Gefühl.